
🌳 Von Gallen und anderen Gästen
Ein Spaziergang mit Onkel Friedrich

Ich stand da, wie so oft, ein wenig zu lange an einer Hecke. Nicht weil ich mich verirrt hätte – das kommt selten vor, höchstens innerlich – sondern weil da etwas hing, das ich nicht so recht einordnen konnte. Dichtes Grün, wie erwartet. Aber dann: kleine Knubbel, rosa-grünlich schimmernd, wie winzige Fruchtstände, doch seltsam geformt. Kein normales Blattwerk.
„Aha“, sagte ich leise zu meinem Hund (der ohnehin nichts antwortete), „das hier ist wieder so eine gallige Angelegenheit.“
Denn das, was da vom Weissdorn herablugte, waren keine Früchte, sondern sogenannte Gallen – kleine Wohnstätten für Insektenlarven. Meist ist eine Gallmücke der Architekt. Sie piekst das Blatt an, legt ein Ei hinein, und zack! verwandelt sich das pflanzliche Gewebe in ein Mini-Loft mit Vollpension.

Man könnte sagen: ein symbiotischer Trickbetrug. Die Pflanze wird manipuliert, als hätte jemand ihre Bauleitung übernommen. Aber statt sich zu wehren, baut sie artig die gewünschte Galle. Als hätte sie gesagt: „Wenn’s denn sein muss…“
Das Ganze sieht aus wie ein Kunstprojekt. Kein Schaden für den Baum – im Gegenteil: Er steht da wie ein Großvater mit Enkelkind auf den Schultern. Ein bisschen mehr Last, ein bisschen mehr Leben.
Was mich daran fasziniert?
Dass mitten im Alltag solche kleinen Welten entstehen, ohne dass wir je davon erfahren mĂĽssten. Es passiert einfach. Unaufgeregt. Ohne Eilmeldung.
Und vielleicht, dachte ich, sollte man manchmal selbst ein bisschen mehr WeiĂźdorn sein:
Stehen bleiben. Gastfreundlich sein. Und sich nicht ĂĽber jeden kleinen Stich im Leben aufregen.
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NĂĽtzlicher Anhang von Onkel Friedrich:
👉 Die meisten Gallen sind nicht schädlich.
👉 Typische Gallen-Insekten bleiben artspezifisch – jede Galle sieht anders aus.
👉 Wenn du genau hinschaust, entdeckst du: Die Natur hat mehr Wohnungen als Zürich.
