Der bescheidene Rainkohl
Onkel Friedrich erzählt
Wenn du das nächste Mal bei einem Waldspaziergang einen zarten Hauch von Gelb zwischen dem feuchten Grün entdeckst – dann bleib ruhig einen Moment stehen. Vielleicht ist es der Rainkohl, der da am Wegrand seine kleinen Blüten ins Licht hebt, als wolle er sagen: „Ich bin auch noch da.“

Rainkohl, Lapsana communis, ist so ein typischer Fall von übersehener Schönheit. Kein Star im Pflanzenreich, kein grosses Aufsehen, keine prominente Rolle in den Kräuterbüchern – aber dennoch ein treuer Begleiter durch die Jahreszeiten. Ich erinnere mich, wie ich als Bub bei meiner Grosstante Emma im Garten half. Sie zeigte mir einmal eine Handvoll solcher Blättchen und sagte: „Das ist was fürs Gemüse, wenn der Salat knapp ist.“ Und tatsächlich – jung und zart, mit etwas Öl und Essig, taugt der Rainkohl als einfacher Wildsalat.
Seine zarten Blüten, die an Löwenzahn erinnern, aber auf viel dünneren Beinchen stehen, erscheinen oft nach einem Regen. Vielleicht kommt daher auch sein Name – Rainkohl –, als Pflänzchen, das gerne am Wegrand, dem Rain, wächst. Oder vielleicht, weil er sich nach dem Regen so frisch entfaltet, wie jetzt auf deinem Bild.
In der Volksmedizin hat er keine grosse Karriere gemacht, aber gelegentlich wurde der milde Pflanzensaft bei kleinen Hautreizungen oder Entzündungen verwendet. Ich habe einmal gelesen, dass man ihn früher gar als „Frauenkraut“ kannte – warum genau, bleibt im Nebel der Überlieferung verborgen. Wahrscheinlich aber, weil er sanft war, unaufdringlich, aber doch da, wenn man ihn brauchte.
Heute wächst er unbeachtet in Gärten, an Waldrändern, an Böschungen – und wer hinsieht, kann sich freuen: An einer zarten Pflanze, die uns lehrt, dass auch das Einfache eine eigene Poesie hat.
🪴 Kleiner Zusatz:
Die jungen Blätter des Rainkohls sind essbar – roh im Salat oder leicht gedünstet wie Spinat. Allerdings werden sie schnell bitter, also lieber ganz jung ernten! Wer mag, kann ihn als „Waldsalat-Zutat“ mit Gänseblümchen und Vogelmiere kombinieren.
